«Marathon ist harte Arbeit»: Ärzte warnen Untrainierte

New Haven – Alle Jahre wieder: Mit dem Frühling kommt der Bewegungsdrang – und die nächste Marathonsaison. In Deutschland schlüpft mittlerweile jeder Dritte in die Laufschuhe. Zehntausende laufen bei den rund 200 Marathonveranstaltungen im Land mit.

Zum Topevent in New York, dem Traumziel vieler Langstreckler, melden sich regelmäßig 50 000 Läufer an. Doch sowohl im Laufland USA, wo mehr als eine halbe Million Menschen pro Jahr Marathon laufen, als auch in Deutschland warnen Mediziner vor Schäden, die durch unzureichendes Training drohen können.

Nun legten Ärzte der
Yale Universität (US-Bundesstaat Connecticut) eine Studie vor, wonach bei vier von fünf Läufern nach dem Hartford Marathon (US-Bundesstaat Connecticut) von 2015 Anzeichen für sogenanntes Akutes Nierenversagen diagnostiziert wurden. Blut und Urin, vor und nach dem Lauf verglichen, hatten hinterher erhöhte Kreatinin- und Proteinwerte aufgewiesen. Allerdings erholten sich die Nieren innerhalb von zwei Tagen komplett wieder.

«Die Niere reagiert auf den physischen Stress durch den Marathonlauf genauso, als ob sie verletzt sei – ähnlich wie bei Krankenhauspatienten, deren Niere durch Medikamenten- oder Operations-Komplikationen beeinträchtigt ist», erläutert Chirag Parikh, Hauptautor der im «American Journal of Kidney Diseases» veröffentlichten Studie. Dies müsse weiter untersucht werden.

Den Sportmediziner Thorsten Schiffer überrascht das Ergebnis nicht. «Jedes Organ im Körper, das dauerhaft hoch belastet wird, zeigt Anpassungserscheinungen – das gilt für die Niere ebenso wie für das Herz oder die Muskeln», betont der Leiter der Ambulanz für Sporttraumatologie der Deutschen Sporthochschule in Köln. «Das ist per se aber nichts Gefährliches, solange die Läufer gut vorbereitet sind und keine Vorerkrankungen bestehen.» Problematisch werde es möglicherweise dann, wenn Marathonläufer vorsorglich größere Mengen Schmerzmittel wie Ibuprofen einnähmen – denn diese schädigen die Nieren zusätzlich.

Grundsätzlich biete Langstreckenlauf sehr viele gesundheitliche Vorteile, betont Schiffer. «Der Mensch ist aus evolutionsbiologischer Sicht wie kaum eine andere Spezies zum Langstreckenlauf prädestiniert. Nicht umsonst heißt es: Wer lange läuft, lebt lange. Man muss es aber richtig angehen.» So sei ein Gesundheitscheck vorab wichtig, ebenso ein langfristig angelegtes, professionelles Trainingsprogramm – am besten an der Seite eines Lauftrainers. «Marathonlauf ist kein Spaß, sondern ernsthafte Arbeit.»

Die meisten Verletzungen stammten daher, dass Neu- oder Wiedereinsteiger ihre Kräfte überschätzten, sich unstrukturiert oder schlicht zu wenig vorbereiteten. Einen Unterschied zwischen Männer und Frauen, jüngeren und älteren Läufern stellte Schiffer dabei nicht fest.

Was kann den Drauflos-Läufern blühen? Vor allem Überlastungen des Knochen- und Muskelsystems an den Beinen und Füßen – von simplen Blasen über Sehnenreizungen bis zu Ermüdungsbrüchen. Auch das Herz-Kreislaufsystem kommt an Belastungsgrenzen. Im schlimmsten – und sehr seltenen – Fall kann das zu Herzinfarkt oder plötzlichem Herztod führen, etwa wenn ein unerkannter Herzfehler oder eine Arteriosklerose vorlag, und sich durch den erhöhten Blutdurchlauf Arterienkalk ablöste. Auch Störungen im Elektrolythaushalt bereiten häufiger Probleme.

Schwierigkeiten haben jedoch manchmal auch Spitzensportler, die es übertreiben. «Zu mir kam ein Triathlet, der auf Marathon umsatteln wollte, mit einen Ermüdungsbruch am Schenkelhals. Warum? Er machte morgens und abends einen 30 Kilometerlauf», berichtet der Sportmediziner.

Großer Ehrgeiz kann auch langfristig trainierenden Hobbyläufern gefährlich werden – wenn sie kurz vor dem Lauf eine Infektion bekommen, die sich aufs Herz verlagern könnte.

Viele Orthopäden raten beim Marathon zum Motto «Der Weg dahin ist das Ziel», sprich: Die Vorbereitung auf den Lauf ist gesünder als der Marathon selbst. Auch Schiffer sieht das so und freut sich über einen gewissen Trend hin zu kürzeren Langstrecken: «Der gesundheitliche Nutzen des Trainings ist dabei genauso groß.»

Fotocredits: Christoph Schmidt
(dpa)

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